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Montag, 15. September 2008

Schubert Oktett in Ruprechtshofen So 14.09.2008

Es war eine Schubertiade in Niederneukirchen.
Die Musik riss alle mit in den Wienerwald zu Schuberts Zeiten. Die Musik wurde großartig gespielt und die Interpreten erhielten viel Applaus.

















Handeln in der Aussichtslosigkeit

(Nachstehend die am 13. Sep. 2008, anlässlich der Eröffnung des autonomen Stadtteilbüros Wieserfeldplatz gehaltene Festrede)

Handeln in der Aussichtslosigkeit
ein gelehrter Vortrag von Andi Wahl

Am Mittwoch dieser Woche, also vor drei Tagen, wurde in der Nähe von Genf der größte Teilchenbeschleuniger aller Zeiten in Betrieb genommen. Seither sausen Protonen in einer 27km[1] langen Röhre im Kreis. Die Geschwindigkeit dieser kleinen Teilchen wird in den kommenden Monaten immer weiter erhöht, bis sie annähernd Lichtgeschwindigkeit erreicht hat.[2] Nach dieser Beschleunigungsphase wollen die WissenschafterInnen dann Teilchen aufeinander knallen lassen. Sinn dieses „größten Experiments in der Geschichte“ ist es, dem Higgs-Teilchen auf die Schliche zu kommen. Nach gängiger Theorie haben die Teilchen, aus denen Sie und ich und der Rest der Welt bestehen, keine Masse an sich, sondern erhalten diese erst durch den sogenannten Higgs-Mechanismus.[3] Damit dieser Mechanismus aber funktioniert, braucht es, so die Überzeugung der theoretischen PhysikerInnen, ein besonders schweres Teilchen. Eben das Higgs-Teilchen.
Uns Laien mag das alles wie eine Spielerei großer Kinder mit zuviel Zeit und zuviel Geld anmuten.[4] Es geht dabei aber darum zu erforschen, woher die Welt ihre Masse hat. Es geht also um nichts Geringeres um das Gewicht der Welt.

Bei einem anderen Experiment in dieser Teilchenbeschleunigeranlage will man Kerne von Bleiatomen aufeinander prallen lassen. Damit soll der Urknall – wie er vielleicht vor 13 Milliarden Jahren stattgefunden hat - nachgestellt (oder wiederholt) werden. Kritiker dieses Experimentes fürchten, dass dabei auch kleine Schwarze Löcher entstehen, die in weiterer Folge die Welt von innen auffressen und letztendlich das ganze Weltall vernichten.[5]

In Genf also versucht man mittels Geschwindigkeit, Antworten auf fundamentale Fragen zu finden. Auf eine ganz andere Art nähert sich der in Jena lehrende Soziologe und Politikwissenschafter Hartmut Rosa dem Phänomen der Geschwindigkeit an. Er beschäftigt sich u.a. mit der technischen und sozialen Beschleunigung unserer Gesellschaft. Die Geschichte der Moderne, so Rosa, sei gleichzeitig die Geschichte von Beschleunigung.[6] Aufgrund des Zeitgewinns durch technischen Fortschritt entstehe Zeitnot und nicht Zeitgewinn. Laut Rosa führt die Zunahme an Möglichkeiten, die den Individuen heute offen stehen, dazu, dass ein Mensch die ihm gegebenen Möglichkeiten im Laufe seines Lebens nicht einmal annähernd ausschöpfen kann. Die "Steigerungsrate übersteigt die Beschleunigungsrate". Wir können gar nicht schnell genug leben, um alle uns gebotenen Möglichkeiten auszukosten. Das wird, so Rosa weiter, dazu führen, dass das Individuum gar keine Möglichkeit haben wird, „lebensgesättigt“ zu sterben.
Rosa entwickelt eine ganze Reihe interessanter Ansatzpunkte, und jeder Einzelne davon ist es wohl wert, genauer erörtert zu werden. Ich möchte mich hier aber nur auf eine Nebenbemerkung von Rosa konzentrieren, die er vor einigen Wochen in einem Radiointerview fallen ließ. Rosa stieß im Rahmen seiner Forschungsarbeit auf eine immer breiter werdende Diskussion, die in sogenannten Think-Tanks geführt wird: Angesichts des Aufstiegs Chinas wurde ein entscheidender Nachteil der Demokratie erkannt. Sie ist zu langsam. Die Wirtschaftsmechanismen, aber auch die technischen Fortschritte haben sich so beschleunigt, dass demokratische Entscheidungsprozesse nicht (mehr) schnell genug auf diese Veränderungen reagieren können. Waren, Kapital, Firmensitze sausen mit einer Rasanz um die Welt, die demokratische Politik völlig überfordert.
Damit fällt ein Dogma der (westlichen) Politikwissenschaft. Bisher galt der Grundsatz, dass freie Marktwirtschaft und eine liberal-demokratische Gesellschaftsordnung untrennbar zusammen gehören. Auch im Falle Chinas wurde bis vor kurzen angenommen, dass die Einführung des freien Marktes „zwangsläufig“ eine Art bürgerlich-demokratische Revolution auslösen werde.
Jetzt kann man dieses Dogma natürlich belächeln, gibt es doch so viele Beispiele, wo hohe Profitraten erste durch Diktaturen ermöglicht wurden. Ein wunderbares Buch dazu hat z.B. Naomi Klein 2007 vorgelegt.[7] Hier weist sie faktenreich nach, wie Gesellschaften von einer Phalanx aus neoliberaler Wirtschaftwissenschaft und Gewaltherrschaft überrumpelt werden.
Das Dogma, dass wirtschaftliche Freiheit auch politische Freiheit nach sich ziehe, hatte aber auch einen Umkehrschluss: Der Markt, so die bisherige Meinung, brauche annähernd demokratische Verhältnisse, um sich entwickeln zu können. Nun, wo dieses Dogma fällt, wird immer klarer, dass die Ökonomie, mit der wir es heute zu tun haben, schnelle Kommandostrukturen benötigt. Kommandostrukturen, wie sie in China eben gegeben sind.
Will man dieses Phänomen in eine marxistische Terminologie fassen, so benötigt der Stand der Produktivkräfte einen neuen gesellschaftlichen Überbau. Ist an dieser Analyse etwas dran, so waren die Kommandostrukturen im ehemaligen sogenannten Ostblock ihrer Zeit – oder eben dem Stand der Produktivkräfte – nur voraus. Hier entsteht vielleicht ein Treppenwitz der Geschichte: Die marxistische Zukunftserwartung, die Sozialismus und Kommunismus versprach – jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinen Bedürfnissen – hat sich als unrichtig erwiesen. Die Pervertierung der Sozialistischen Ideen, die sich in einem zählebigen Unterdrückungssystem materialisierte, war aber zukunftsweisend.

Nun, meine Damen und Herren, ich will nicht mehr länger um den heißen Brei herum reden: Die Demokratie ist ein Auslaufmodell und wird gerade jetzt in unseren Tagen abgeschafft. Hierfür gibt es nicht erst Anzeichen, sondern eine ganze Reihe handfester Beweise. Seit über zehn Jahren haben wir es mit dem Phänomen der „Entpolitisierung der Politik“ zu tun. Die Politik – und zahlreiche Aussagen aktiver PolitikerInnen belegen das – hat ihren Gestaltungswillen längst aufgegeben. Die Politik hat sich auf die symbolische Ebene zurück gezogen oder sieht sich nur noch als Verwaltung, die Abläufe koordiniert und Standortwettbewerbe führt. In dieses Bild passt auch das sogenannte „Demokratiedefizit der EU“. 80 oder 90% der relevanten Entscheidungen ihrer Mitgliedsstaaten werden von der EU getroffen. Und zwar nicht im Europäischen Parlament, sondern in Kommissionen. Um im Wettbewerb mit den USA, mit China, mit Russland bestehen zu können, bedarf es zentralistischer Entscheidungsstrukturen. Die Produktivkräfte schaffen sich einen passenden Überbau. Das gefällt dem gemeinen Volk natürlich nicht, und immer wenn man das Volk mitreden lassen muss, verdirbt es alles, verweigert den nächsten Schritt in der „Vertiefung des EU-Prozesses“. Noch ein Grund, den Demokratieabbau weiter voran zu treiben – sonst steigt Europa nie zu einer Weltmacht auf!

Mit der Demokratie geht nun einer weiteren sogenannten „Großen Erzählung“ die Luft aus. Nachdem Religionen und der Sozialismus bereits ins Altenteil geschickt wurden, zieht nun auch die Demokratie ins Siechenheim der Geschichte ein. Die großen Utopien – soviel messianischen Weitblick getrauen ich mir hier zu verbreiten – sind gescheitert. Was ich aber beim besten Willen nicht sagen könnte, ist, ob wir diesen Utopien nachtrauen sollen?

„Utopie“ aus dem griechischen ou (für nicht) und topos (für Ort) gebildet, bezeichnet – folgt man der Wortbedeutung – einen „Nicht-Ort“. Utopien stehen für wünschenswerte Zustände, die an keinem Ort dieser Welt existieren. Und weil sie in unserer dreidimensionalen Welt nirgends existieren, verschiebt man ihre Existenz in die vierte Dimension – in die Zeit. Danach hätte es ideale Zustände in der Vergangenheit gegeben,[8] oder es würde solche Zustände in der Zukunft geben.[9]
Wenn aber jetzt die Utopien absterben, was bleibt uns dann? Wonach richten wir unser Streben aus, was gibt uns Handlungsorientierung?

Wenn nun die Utopien absterben, dann bleibt uns vielleicht das Gegenteil von Utopie. Und das Gegenteil von Utopie, dieses unbestimmten Ortes in einer unbestimmten Zeit – das Gegenteil von Utopie ist das Hier und Jetzt. Das Gegenteil von Utopie ist der Wieserfeldplatz am 13. September 2008 um XX:XX.

Hier hat sich eine Gruppe von Menschen formiert, die sich von den oben skizzierten Entwicklungen nicht einschüchtern lässt. Menschen, die sich nicht ständig fragen, wie wird das alles noch werden, sondern die, nachdem wir nicht wissen, was die Zukunft bringen wird, hier und jetzt handeln. Sich einfach anmaßen zu tun, was sie für richtig halten. Wenn das Stadtmarketing sich nur um die Postkartenansicht des Hauptplatzes kümmert, was soll’s? Das Leben findet ohnehin wo anders statt. Dann macht man eben selbst ein Stadtteilbüro auf. Wenn das Stadtbauamt Plätze produziert, auf denen Menschen wie Fremdkörper wirken – gut. Dann gestaltet man diese Plätze eben so um, dass man sich auf ihnen wieder wohl fühlen kann.
Ein interessanter Vorgang im Übrigen, wenn der öffentliche Raum, das öffentliche Gut von den VertreterInnen der Öffentlichkeit so verschandelt wurde, dass eine neuerliche Vergesellschaftung notwendig ist. Die Öffentlichkeit, die Bewohner dieses Stadtteils, müssen sich ihren eigenen öffentlichen Raum zurück erobern, aus dem sie mit architektonischen Mitteln vertrieben wurden. Als ob ich Sie als Haumeister einstellen würde, um mein Haus zu verwalten und in Schuss zu halten, und Sie mauern alle Fenster zu und wechseln die Schlösser aus, damit ich nie wieder hinein kann. So ein Hausmeister, so eine Verwaltung und so eine Politik gehören eigentlich mit nassen Fetzen aus ihren Ämtern verjagt! Oder man nimmt ihnen einfach das Heft aus der Hand, gestaltet selbst, macht sein eigenes Stadt-Rad, sein eigenes Denk-mal-Amt, und sein eigenes Stadtteilbüro. Diese Aneignung der Hoheitsbegriffe wie Amt, Stadtrat, Büro drückt auf einer symbolischen Ebene aus, was hier in den nächsten Monaten, und hoffentlich Jahren, passieren wird: Teile des Volkes nehmen ihren Stadtteil in die eigene Hand. Und wer mitmachen will, ist willkommen. Wer nicht will, kann es auch bleiben lassen – es gibt keinerlei Zwang.

Die Organisationsform ist einfach und transparent, es ist die des Palavers. In weiten Teilen Afrikas gehört der Palaver zu den guten Umgangsformen. In unseren Breiten wird er oft als ineffizientes, zeitvergeudendes Herumgerede missverstanden. Hier stoßen zwei unterschiedliche Konzepte aufeinander. Nach dem einen Konzept – ich nenne es jetzt einmal das kapitalistisch-effiziente - trifft man sich, um ein Ziel und eine Vorgangsweise zur Erreichung diese Zieles zu vereinbaren. Das andere Konzept – eben das des Palavers – begreift die Zusammenkunft selbst als Teil des Zieles. Hier trifft man sich und versucht, allen Anwesenden die gemeinsame Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten. Und wo die einen immer Gefahr laufen durch Ineffizienz Zeit zu verlieren, können die anderen nur Zeit gewinnen. Nämlich angenehm verbrachte Lebenszeit.
Und um nichts anderes geht es bei diesem Projekt: Das Leben jetzt und hier zu gestalten, sich zu fragen, wie wollen wir leben, und das gleich – hier und jetzt - in die Tat umzusetzen.

Und wenn die in der Schweiz mit ihren Teilchenbeschleunigern in ein paar Monaten doch Schwarze Löcher produzieren, die uns alle klein-klein verschlucken, dann haben die Leute des Kollektivs wenigstens diese paar Monate gut, ja ich möchte sogar sagen richtig gelebt.

Daher mein Appell an Sie, liebe Festgäste, hoch verehrte Ehrengäste, liebe Freundinnen und Freude des Kollektivs: Schieben Sie sich ihre Utopien in den Arsch, leben Sie und engagieren Sie sich hier und jetzt so, als seien Ihre Utopien bereits verwirklicht. Immerhin gilt es immer noch Ihr Leben zu leben.
[1] Exakt handelt es sich um eine Länge von 26.659 m
[2] Nach den mir zugänglichen Berechnungen sollen 99,9999991 Prozent der Lichtgeschwindigkeit erreicht werden.
[3] Benannt nach dem britischen Physiker Peter Higgs, der 1964 eine grundlegende Arbeit dazu veröffentlichte.
[4] Die geschätzten Kosten des Experiments belaufen sich auf 3.000.000.000 Euro
[5] Prominentester Vertreter der Kritik ist der deutsche Biochemiker und Chaostheoretiker Otto Rössler, der annimmt, dass die Zerstörung der Welt in „einem Zeitraum von vier bis 50 Jahren“ stattfinden wird.
[6] vgl. Rosa, Hartmut: Beschleunigung - Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne, Frankfurt a. Main 2008
[7] Klein, Naomi: Die Schockstrategie – Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus, Frankfurt a. Main 2007
[8] Hier meine ich etwa Matriarchat, Urchristentum, griechische Polis usw.
[9] Himmelreich, klassenlose Gesellschaft, Paradies, Herrschaft der arischen Rasse, Gewaltfreiheit usw.

Dienstag, 2. September 2008

Lieblingsbilder Teil 10

H. R. Giger (1940)

Ein Maler der mit dem Luftpinsel gemalt hat. Er führt uns in eine Welt von morgen und sie ist beängstigend. Biomechanoid sind seine Schöpfungen. Bekannt wurde Giger, aber durch ein Filmmonster, das er entworfen hat - Alien .