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Montag, 30. Juni 2008

Jugend und Gewalt

von Andi Wahl

Immer wieder hört man Menschen darüber klagen, dass die jungen Leute immer brutaler werden, und unsere Medien sind voll von Berichten über verzweifelte Lehrer und Pädagoginnen, die sich nicht mehr zu helfen wissen. Die Jugendlichen, so wird uns gesagt, werden immer gewalttätiger und niemand wisse, wohin das noch führen werde.

Jetzt bin ich doch schon lange genug auf der Welt, um aus eigener Anschauung Vergleiche ziehen zu können. Und wenn ich mich zurück erinnere an meine eigene Kindheit und Jugend, so fallen mir eine ganze Menge Raufereien ein, in die ich verwickelt war. Ich glaube, es verging kaum ein Tag, an dem ich nicht Einen in den Schwitzkasten nahm, oder selbst in einem solchen steckte. Blaue Flecken, Kratzer, Schläge gegen das Brustbein – die im wahrsten Sinn des Wortes atemberaubend waren – und auf den Rücken gedrehte Arme gehörten sozusagen zu meinem täglichen Brot.

Jetzt könnte man natürlich meinen, dass ich eben ein besonders böses Kind gewesen sei. Aber ich galt als besonders ruhig und sensibel.

Auch wenn sich mein Schwiegervater, der gut 15 Jahre älter ist als ich, an seine Kindheit erinnert, geht es derb zu. Sein Lieblingsspiel, so erzählte er kürzlich anlässlich eines Familientreffens, hieß „Richter, Kläger, Schläger, Unschuld, Dieb“. Der ganze Spaß des Spieles bestand darin, dass sich jemand eine körperliche Strafe ausdenken musste, die, so er Pech hatte, gegen ihn selbst angewandt wurde. Zur Auswahl standen so klingende Bestrafungen wie: Ribisel, Knödel, 1000 Nadeln, Mohnstrudel usw. Hinter diesen Bezeichnungen verbargen sich mittelschwere Misshandlungen, die meist das Hinterteil betrafen.

In der Jugend meines eigenen Vaters wurden Bandenkriege mitunter auch mit Schusswaffen ausgetragen. Die Mühlviertler Wälder waren nach dem Krieg voll von vergrabenen Karabinern, samt Munition. Einer meiner Onkel trug aus solchen Kämpfern eine Schussverletzung davon. Da es sich aber um einen glatten Durchschuss handelte und keine bleibenden Schäden zurück blieben, machte niemand Aufhebens um die Geschichte.

Kurz: Wenn ich mich in meinem eigenen Umkreis umsehe, entsteht bei mir nicht der Eindruck, dass die Jugendlichen immer gewaltbereiter und brutaler werden. Ganz im Gegenteil meine ich, dass es früher um einiges brutaler zuging, das aber niemanden sonderlich interessierte.

Warum dann heute so hysterisch auf jugendliche Gewalt reagiert wird, weiß ich beim besten Willen nicht. Ich habe aber einen leisen Verdacht. Viele Erwachsene beklagen sich über die Gewalttätigkeit der Jugend, weil sie meinen, damit gegen Videospiele oder Gangster-Rap vorgehen zu können. Aus dem einfachen Grund, weil sie weder von Videospielen noch von Gangster-Rap etwas verstehen. (Ich verstehe im übrigen auch nichts davon.) Dabei hat mir noch niemand erklären können, weshalb selbst kleine Kinder die Brutalität von Märchen verarbeiten können – wenn Hexen brennen oder sich Stiefmütter in glühenden Schuhen zu Tode tanzen müssen – die Brutalität von Videospielen aber irreparable Schäden verursachen sollten. Ganz zu schweigen davon, dass man noch immer das Bild eines blutüberströmten Mannes in jedes Klassenzimmer hängt, der nach langer Folter gerade dabei ist, einen Erstickungstod am Kreuz zu sterben. Glaubt irgendwer, dass Kinder und Jugendliche feinfühliger werden, wenn man ihnen Tag für Tag, fünf bis neun Stunden, eine geschundene, blutende, angenagelte und aufgespießte Leiche vor Augen hält? So etwas erzeugt bleibende Schäden! Und viele Menschen brauchen ein ganzes Leben, um diese Schädigungen aufzuarbeiten. Vor drei Tagen wurde dem österreichische Schriftsteller Josef Winkler der Georg-Büchner-Preis zuerkannt. Eine der wichtigsten Auszeichnungen im deutschsprachigen Literaturbetrieb. Winkler beschreibt in seinem Werk hauptsächlich das Leben in einem vom Katholizismus durchwirkten Dorf in Kärnten. Überhaupt wäre die österreichische Literatur um vieles ärmer, wenn sich nicht so viele Menschen von ihrer „katholischen Vergiftung“ – wie es Peter Turrini nennt – befreien müssten.

Stellen Sie sich ein Videospiel vor, in dem man die ganze Menschheit absaufen lassen kann. Oder eines, in dem man seine Ehefrau einer wütenden Horde von Vergewaltigern preisgibt um ins nächste Label zu kommen? Im Religionsunterricht ist so etwas möglich. Nachzulesen in Genesis 7 und 8, bzw. Richter 19 – 21 im Alten Testament.

Jetzt kann man natürlich sagen, das sind alles alten Geschichten aus einer längst vergangenen Zeit. Aber auch ein Videospiel ist nur ein Videospiel. Und wenn es wirklich, wie öfter gesagt wird, ein Problem ist, dass Jugendliche nicht mehr zwischen Videospiel und Realität unterscheiden könne und daher nicht wissen, wann es genug ist, dann kann ich den jungen Menschen nur eine Empfehlung geben: Mehr raufen. Denn wer ein paar Mal eine Ohrfeige, einen Ohrenreiber oder eine Kopfnuss gekostet hat, der weiß auch, wann es genug ist.

Für Erwachsene, die sich dann vom jugendlichen Lärm gestört fühlen, gibt es im Übrigen ein neues Gerät auf dem Markt. „Swiss Mosquito“ nennet sich eine Vorrichtung, die einen überaus nervigen Pfeifton erzeugt. Im Grenzbereich des Hörbaren zwischen 16 und 18 kHz, die – so die Broschüre der Herstellerfirma - Menschen über 25, „altersbedingt kaum wahrnehmen“ können. Jüngere aber verlassen fluchtartig den Wirkungsbereich von „Swiss Mosquito“.

Mit so einem Gerät, könnte sich vielleicht so manche Gemeinde den Abriss und Wiederaufbau von Wartehütteln ersparen.

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